Dagmara Kraus, Christian Maintz und Matthias PolityckiMusik: Ulf Mummert & Michael Schröder
Moderation: Michael Braun, Martin Rector
Beim Lyrikfest geben wir den vielfältigen, zeitgenössischen Erscheinungsform der Dichtkunst eine Bühne. Diesmal nehmen wir das Komische Gedicht in den Fokus.
Entgegen dem Klischee hat die Komik hierzulande eine lange Tradition vom Mittelalter bis zu Heine, Ringelnatz und Morgenstern, bis zu Busch, Robert Gernhardt und F.W. Bernstein. Doch wie steht es heute um das Komische Gedicht? Gut. Drei sehr unterschiedliche, großartig komische Stimmen kommen zu Wort. Sie dürfen diesmal die „Gegenstrophen“ ganz wörtlich nehmen!
Dagmara Kraus hat letztes Jahr den Kasseler Förderpreis für Komische Literatur erhalten, zuvor schon den Karl-Sczuka-Preis für avancierte Radiokunst. Ernsthaft verspielt ko?nnte man ihre kunstfertige und unterhaltsame Lyrik nennen: von kummerang ‚pseudofatrastischen‘ Lautschrift-Collagen und dem wehbuch, in dem nach Kräften und mit größtem Vergnügen gejammert und geklagt wird zu Aby Ohrkranf‘s HUNCH POEM. Auch ihr Versuch mit kleine grammaturgie, in Plansprachen zu dichten, zeigt: Experimentelle Poesie kann vom Humor nur profitieren!
Christian Maintz wird in einem Atemzug mit all den großen Namen der „Neuen Frankfurter Schule“ genannt. Alles Quatsch: Er tritt in keine Fußtapfen. Er macht selber welche. Kritik und Kollegen überschlagen sich vor Begeisterung: Elegant und souverän reimt Maintz über Liebe in Lokalen und kann meisterlich selbst vom Knödel singen. Er lebt in Hamburg als Autor, Literatur- und Medienwissenschaftler, versteht also auch viel vom Film. Mit Harry Rowohlt nahm er das Hörbuch Lieber Gott, Du bist der Boss, Amen. Dein Rhinonzeros auf.
Matthias Politycki ist ohne Zweifel einer der renommiertesten Autoren unserer Gegenwart. Seine Romanen und Novellen stellt er zum Glück auch Gedichte an die Seite. Formstrenge Sonette stehen neben konkreter Poesie, werfen Schlaglichter auf Liebe, Tod und den vermeintlich banalen Alltag. Komik und Kippfigur, Romantik und Heiterkeit: anarchisch, experimentell, sehnsüchtig, melancholisch und auch lustig! Mit seiner Aktion „Gedichte, die in jede Kneipe passen“, hat Politycki zudem bewiesen, was mit London für Helden begann: Lyrik passt zum Leben und handelt auch davon. Zuletzt erschienen: Sämtliche Gedichte 2017 – 1987.
Weckt die zeitgenössische Dichtung bei vielen Berührungsängste, kann die Neue Musik locker mithalten. Schön konsequent gibt es also auch davon bei diesem Lyrikfest auf die Ohren, denn keine Musik kann so komisch sein, wie die Neue Musik, ob Komposition für Kaktus und Schrott, abkühlende Bierflaschen, Fahrrad oder große Orchester.
Wir haben mit Ulf Mummert und Michael Schröder zwei ausgezeichnete Gitarristen zu Gast, die u.a. Weird – Wired von Matthais Kaul spielen. „Gitarren“, meint Kaul, „sind ohnehin drahtige Angelegenheiten, so kommt es auf ein paar Drähte mehr oder weniger auch nicht an.“ Für den echten Duo-Sound werden hier konsequenterweise gleich die Instrumente miteinander verdrahtet. Wozu führt die zusätzliche Saite? Harmonie, Störgeräusch, Ferngestaltung oder Eigensinn? Eins ist jedenfalls klar: Kommen sich Mummert und Schröder zu nahe, ist kaum noch was zu hören...
Gegenstrophe - Blätter zur Lyrik 10
Pünktlich zum Lyrikfest erscheint im Wehrhahn Verlag der 10. Band unserer Jahresschrift, herausgegeben von Michael Braun, Kathrin Dittmer und Martin Rector, mit Beiträgen von José F. A. Oliver, Ulrike Almut Sandig, Christian Uetz, neuer Lyrik, Essays, einer Recherche der Lyrikveröffentlichungen der Vorjahre sowie einem Dossier zum Hölty-Preisträger Norbert Hummelt.