Michael Braun trifft Marion Poschmann
Marion Poschmann ist ein literarisches Mehrfachtalent. Neben ihren brillanten Essays bespielt sie gekonnt sowohl das Feld erzählerischer Prosa als auch das Feld der Lyrik. Mit Geliehene Landschaft erschien 2016 ein Gedichtband, in dem sie Stadtparks als Jenseitslandschaften sichtbar macht und öffentliche Grünflächen auf ihr utopisches Potential hin untersucht. Ihre Gedichte reflektieren – teils in der Adaption klassischer Formen wie dem Lehrgedicht oder dem japanischen No-Spiel –, wie jede Landschaft als ästhetisches Konstrukt auftritt, und sie feiern die schöpferische Kraft der Sprache und der Natur.
Ebenfalls asiatisch geht es in ihrem neuesten Roman Die Kieferninseln zu. Gilbert Silvester, Privatdozent und Bartforscher im Rahmen eines universitären Drittmittelprojekts, steht unter Schock. Er hat geträumt, dass seine Frau ihn betrügt. In einer Kurzschlusshandlung reist er nach Japan. Dort fallen ihm die Reisebeschreibungen des klassischen Dichters Basho in die Hände, und plötzlich hat er ein Ziel: Wie die alten Wandermönche möchte auch er den Mond über den Kieferninseln sehen. Dann aber trifft er auf den Studenten Yosa, der mit einer ganz anderen Reiselektüre unterwegs ist, dem Complete Manual of Suicide.
Im Gespräch mit Michael Braun erfahren wir mehr über die Arbeit der mehrfach ausgezeichneten Autorin: ihre sprachliche Lakonie und Transparenz, ihre über Abgründe gleitende, erzählerische Leichtigkeit, das richtige Verhältnis von Tragik und Komik und fade Orte.
Marion Poschmann, 1969 in Essen geboren, studierte Germanistik und Slawistik und lebt heute in Berlin. Für ihre Prosa und Lyrik wurde sie vielfach ausgezeichnet. Die Kieferninseln stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Zuletzt erhielt sie den Peter-Huchel-Preis und den Ernst-Meister-Preis für Lyrik; auch ihr Roman Die Sonnenposition stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und gewann den Wilhelm-Raabe-Literaturpreis 2013.
Michael Braun, geb. 1958 in Hauenstein, lebt als freier Literaturkritiker in Heidelberg. Er arbeitet für Rundfunk und Printmedien und ist Herausgeber und Autor vieler Veröffentlichungen zur Lyrik, seit 2012 des Lyrik-Taschenkalenders. Zuletzt erschien u.a. ein Gespräch mit Klaus Merz im Schweizer Monat. 2018 erhielt er den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik.