Kolumne

Wir mögen Bücher und Papier, deswegen gibt es unser Programm auch als Heft. Und in jedem Heft gibt es ein Editorial der Literaturhausleiterin Kathrin Dittmer. Das wollen wir auch online niemandem vorenthalten!

Editorial März | April | Mai | Juni 2023

Die Braut, vor der mir graut

Wenn ich beklommen auf die politische Lage schaue und mir beim Verzeichnis meiner ganz persönlichen Verluste das Herz bricht, greife ich nach den Strohhalmen des Banalen und finde unter der Rubrik Vermischtes manchmal faszinierend Skurriles.

Gerade ging es wieder durch die Magazine, dass immer mehr Menschen sich selbst zeremoniell heiraten. Na ja, eigentlich sind es nur Frauen. Ach, wer hätte das gedacht?! Angefangen hatte es wohl mit einem eigentlich ganz rührenden Akt einer Künstlerin, die kurz vor der geplanten Verbindung mit ihrem Liebsten verlassen wurde, und beschloss, gemeinsam mit ihren Freundinnen im Grünen eine Feier der Selbstheirat zu begehen. Eine vielleicht humorvolle Geste der Selbstbehauptung. Inzwischen nehmen pompöse Inszenierungen der Selbstheirat zu, gekrönt vom küchenpsychologischen Hinweis, dass die Selbstliebe eben die schwierigste Liebe von allen sei und gefeiert werden solle.

Die Hochzeitsindustrie hat allerorts längst Beute gewittert und hält passende Paketlösungen bereit. Kernpunkt ist die wahlweise romantische oder glamouröse Inszenierung der Frau als Mittelpunkt der Bewunderung mit den entsprechend traumhaften Fotos in Hochzeitsrobe. Womöglich generell ein ganz gängiges Motiv für eine aufwendige Hochzeitsfeier, wenn man die einschlägigen Soaps, Blogs und Posts zum Thema sieht. Ach, ich kann ja so gut verstehen, dass wir schön sein wollen! Die Schönheit bleibt ein Sehnsuchtsort, ein verletzliches Ideal, das uns unbeschädigt und ganz heil zeigt. Aber im Fall der konventionellen Hochzeitspaket-Buchung wäre die Gründung einer Laientheatergruppe mit historischen Kostümen oder die Teilnahme beim LARP irgendwie weniger schräg. Obwohl so ein LARP manchmal auch mit sehr eigenartigen Weltanschauungen verbunden ist und außerdem mit Orks.

Selbstheirat lässt mich nur an Selfishness und Selfie-Stick denken. Das einzig Gute an Letzterem, sagte der Sohn meines Freundes einmal, sei, dass man die Besitzer desselben damit auch gleich hauen könnte. Finde ich auch. Immerhin hat die Erörterung des Trends zum Bund mit sich selbst meinen Kolleginnen und mir eine heitere Viertelstunde beschert, bis hin zur Frage, ob man sich denn, wenn man irgendwann doch noch jemand anderen heiraten wolle, vorher von sich scheiden lassen müsse?

Meine Freundin Martina hingegen erzählte mir, dass manche jetzt sogar ihre Haustiere heiraten. Immerhin ein Gegenüber! Aber auch abgründig, und zwar gegen das Tier, das in dieser Ehe unmündig ist und nichts zu melden hat. In der Selbstehe wird man zumindest wohl selbst das Sagen haben. Wieso hab ich eigentlich nie geheiratet? Bei mir haust schon die dritte Generation Katzen. Muss ich mich als mit ihnen in wilder Ehe lebend betrachten? Und dazu als seriell polygam, weil ich immer mindestens zwei hatte? Bin ich das? Nun ja: Früher hätte man mich vielleicht als „Frau mit Vergangenheit“ bezeichnet. Ach, wie herrlich war dies Leben!

Wie dem auch sei: Allen jugendlichen Heiratswilligen, die auf Treue setzen, rate ich zum Partner Papagei. Der wird so alt, dass man ihm noch was vererben kann. Einziger Haken: Er braucht auch weitere Gefährten, wenn man nicht wie Long John Silver das geliebte Tier immer auf der Schulter mit sich tragen will. Papageien sind extrem anhänglich und können nicht alleine sein. Da ist der Ehebruch mal wieder vorprogrammiert. Doch bedenke: Hund, Katze, Maus machen Dich zur seriellen Witwe, egal ob poly- oder monogam. Muss man verkraften können.

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Im Buchhandel erhältlich:

Hasenrein eingemiezelt
Kolumnen von Kathrin Dittmer.
Für alle, die wissen wollen, warum das Gehirn die eigentliche Problemzone ist, was Weltanschauungen und Küchenmaschinen gemeinsam haben und ob Molly der Hund tatsächlich Flöte spielen konnte.
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