Kolumne
Wir mögen Bücher und Papier, deswegen gibt es unser Programm auch als Heft. Und in jedem Heft gibt es ein Editorial der Literaturhausleiterin Kathrin Dittmer. Das wollen wir auch online niemandem vorenthalten!
Aus dem Haus schleichen, Zeug in die Höhle schleppen ...
Die dunkle Jahreszeit bringt mit sich, dass man eventuell Vitamin-D-Tabletten nehmen muss. Das einzige freiverkäufliche Zeug, das ich notwendig gelten lasse, denn einen echten Vitaminmangel in Mitteleuropa gibt es nicht. All das Brausetabletten- und Pulverzeug trifft der Bannstrahl meiner Verachtung, wenn ich im Drogeriemarkt auf dem Weg zum Katzenfutter am Regal „Gesundheit“ vorbeirolle. Selbst wenn man sich jahrelang völlig bekloppt ernährt, schafft man es einfach nicht, sich vitaminmäßig richtig zu bemängeln. Selbst Weißbrot und Klopse haben Vitamine. Mein früherer Arzt sagte immer: „Sparen Sie sich das Geld und kaufen sie sich davon ’nen hübschen Pulli. Dann fühlen Sie sich auch gleich besser.“ Was aber auch keine Lösung ist, weil dann irgendwann alle Schubladen klemmen, und nachhaltig ist das auch nicht.
Also wie in der dunklen Jahreszeit und trotz der bedrückenden Nachrichtenlage ab und zu gut drauf sein? In allen einschlägigen Ratgebern (die wohl hauptsächlich für Frauen geschrieben werden), wird geraten, weniger perfekt sein zu wollen und sich mit lieben Menschen zu umgeben, weil das das Wichtigste sei. Ansonsten gibt es gleich anbei – weil wir so schön funktional denken – Psychotests zum Bauchfett-Typ und Artikel über „Mental Load“. Das ist der neueste Ausdruck für zu viel am Hacken haben. Vom Overload echter Sorgen sind diese glückseligen Menschen anscheinend frei.
Was aber, wenn man einfach mal abschalten muss, in der schon leicht vermüllten Wohnung alleine sitzt, weil man schon längst nach Feierabend immer Fünfe grade sein lässt und sich kein lieber Mensch meldet und bei genauerem Nachdenken einem auch leider keiner einfällt, den man kennt? Zumindest keiner, dem man mit der ganzen Wucht seiner kalten Füße auf dessen stehen möchte? Dann wird es Zeit für einen Faultag!
Nun braucht so ein Faultag eine gewisse Vorbereitung. Wem das jetzt wieder zu viel Load ist, kann es auch ohne versuchen, aber ich rate zu folgendem Dreikampf: erstens kohlenhydratreiche Lebensmittel in die Höhle schleppen, zweitens selbige staubsaugen und lüften und zumindest leicht anwärmen, drittens drei neue Bücher beschaffen, die jemand empfiehlt, der Ahnung hat und zwar eins, das man sonst nicht gekauft hätte, wie Fang den Hasen von Bastasi?, sowie Lyrik und eins, das garantiert ablenkt, ohne blöd zu sein, zum Beispiel was von Terry Pratchett oder T.H. White. Anschließend richtet man sich auf maximal drei Quadratmetern mit den Vorräten und einem heißen Getränk gemütlich ein und bewegt sich möglichst nicht, auch nicht zum Telefon. Katzenfüttern und was kochen und zwischendurch seinen Namen tanzen ist erlaubt. Apropos: Wer Katzen hat, ist auch hier klar im Vorteil, nicht nur weil er verächtlich auf dem Weg zum Katzenfutter gucken kann. Nein: Von Katzen lernen, heißt liegen lernen. Sie verdösen einfach achtzig Prozent ihres Lebens. Das macht ihnen so schnell keiner nach! Aber fangen Sie ruhig damit heute schon an.
Optimal ist, wenn man nach dem Faultag frei hat. So wie man eigentlich erholt verreisen muss, sonst verpufft der Effekt gleich wieder. Aufpassen muss man nur gegen Ende des Tages, weil Gleichförmigkeit und Kohlenhydrate zu Überdruss führen können. Möchte man dann mit Hamlet ausrufen „Wie ekel, schal und flach!“, sollte man nicht, wie von Pyms Werbeagentur empfohlen, Nutrax für die Nerven nehmen, sondern noch ein Buch lesen, nämlich „Mord braucht Reklame“ von Dorothy Leigh Sayers, das in selbiger Werbeagentur spielt. Das hat man im Haus. Wenn nicht: sofort kaufen! Hier auch gleich der Lyriktipp: Die Titelzeile habe ich nämlich bei Martina Hefter geklaut. In die Wälder gehen, Holz für ein Bett klauen heißt ihr neuestes Gedichtbuch. Alle, die jetzt aufgepasst haben, sind mit fünf Buchtipps versorgt und zwar von jemandem, der Ahnung hat. Jetzt nur noch staubsaugen ...
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Im Buchhandel erhältlich:
Hasenrein eingemiezelt
Kolumnen von Kathrin Dittmer.
Für alle, die wissen wollen, warum das Gehirn die eigentliche Problemzone ist, was Weltanschauungen und Küchenmaschinen gemeinsam haben und ob Molly der Hund tatsächlich Flöte spielen konnte.
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